1. Mai 2001

"einsatzpanne" der polizei (3.5.01)

16:30 Festnahme von Demobeobachter Professor Wolf Dieter Narr vom "Komitee für Grundrechte und Demokratie"
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Mittlerweile ist teilweise auch in den Medien die Rede von einer "schweren Einsatzpanne", " die Polizei habe Teilnehmer einer verbotenen Versammlung aufgefordert, in Richtung Mariannenplatz abzuziehen. Dort fand aber zur gleichen Zeit ein friedliches Straßenfest mit Tausenden Teilnehmern statt. "

Einsatzleiter Gernot Piestert wortwörtlich in der
Abendschau "Was im Einzelnen in der Oranienstraße war, oder ob Menschen sogar aufgefordert [worden] sind, zum Mariannenplatz zu geheh, wie ja auch hier behauptet worden ist, das muß ich jetzt erstmal nachvollziehen". Innensenator Eckart Werthebach (CDU) sagte in einer Sendung des SFB zu dem ihm kurz zuvor gezeigten Video des Einsatzes: "Das kann ich mir nicht erklären.

Da von der B.Z. der Innensenator ja den ganzen Tag begleitet wurde, und die B.Z. schrieb, wie gut informiert die Einsatzleitung und der Innensenator waren, und ebenfalls BILD berichtete, daß alle Infos von vor Ort ständig an die Zentrale Einsatzleitung durchgegeben werden, ist es sehr unwahrscheinlich, daß Wertehbach und Piestert nichts von den Durchsagen, die es 30 bis 60 Minutenlang mehrfach gab, wußten

Der Audiomitschnitt einer der zahlreichen Polizeidurchsagen mit der Aufforderung, sich zum Mariannenplatz zu begeben, ist auch im Internet zu finden: http://www.edwaige.de/mai-2001/durchsage.mov
Link funktioniert zur zeit nicht, daher auch hier:
[aufforderung der polizei, zum mariannenplatz zu gehen als mp3 660kb]


Spiegel Online dazu: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,131494,00.html

Der SFB-Abendschaubeitrag, der im Spiegel-Online Artikel erwähnt wird, ist hier als Real Audio zu sehen: http://www.sfb.de/fernsehen/abendschau/abendschau_arc.php3?getweek=988755982&detailidx=641

Situation 1.5.2001 in Kreuzberg:

16:00 Uhr: Nach der völlig friedlichen 13 Uhr Demo gegen das Demoverbot bewegen sich die 5000 bis 10000 Demoteilnehmer Richtung Mariannenplatz (Straßenfest) und Oranienstr./Adalberstr. (Die 13 Uhr Demo war regulär mit einer Kundgebung beendet worden, Krawalle, Polizeiaufforderungen zu gehen o.ä. gibt es nicht)

ca. 16:15: Die Oranien/Adalbertstr. ist von wenig Polizei umsäumt. In Richtung Oranienplatz ist die Straße gesperrt. Alles ist völlig friedlich und entspannt. Die Polizei überlegt, ob sie sich zurückzieht. Haupt-Einsatzleiter Klaus Karau (Leitender Polizeidirketor, Leiter der Direktion 5) funkt "einmaliger Hinweis: wenn wir gehen, wird der Platz von Demonstranten gefüllt".

17:40: Polizisten stürmen aus der Oranienstr. auf den Heinrichplatz und treiben die Leute von dort auf den Mariannenplatz

Kurz danach ohne Räumungsaufforderung: Räumung der Kreuzung Oranien/Adalbertstr, auf der (wie in der ganzen Gegend) alles ruhig war. Dabei gab es vereinzelte(!) Steinwürfe. 16:28 Uhr

Geräumt wird in zwei Richtungen: Kottbusser Tor und Heinrichplatz

16:30: Festnahme von Demobeobachter Professor Wolf Dieter Narr vom "Komitee für Grundrechte und Demokratie", deutlich erkennbar wie alle Demobeobachter am gelben schal und grünen Ausweis Einsatzleiter Herr Karau steht dabei direkt daneben.

Am 3.5. ruft einer der Polizisten, die auf dem Foto im Berliner Kurier vom 2.5.2001 von der Verhaftung von Prof. Narr drauf sind, beim Fotografen an. Seine Bitte: Ihm dieses Foto für die "Fotogalerie der Einsatzhundertschaft" zuzusenden.

Danach kamen die Aufforderungen der Polizei, die Oranienstr. zu verlassen und zum Mariannenplatz zu gehen.(!) (Dort findet gerade ein genehmigtes Straßenfest statt). Diese Aufforderung wurde als Lautsprecherdurchsage mehrmals wiederholt. Eine der Durchsagen (16:50) im Internet: http://www.edwaige.de/mai-2001/durchsage.mov

Wortlaut der Durchsage: »Diese versammlung wurde von der versammlungsbehörde verboten. Die verwaltungsgerichte haben dieses Verbot, was auch jede Art von ersatzveranstaltung mit einschließt, bestätigt. Eine verbotene Versammlung ist nach dem versammlungsgesetz aufzulösen, eine Teilnahme ist eine Ordnungswidrigkeit [Anm. des tippers: wie Falschparken]. Die Polizei fordert sie daher auf, von der Versammlung abstand zu nehmen und sich unverzüglich in richtung Mariannenplatz einzeln oder in kleinen Gruppen zu entfernen. Bei nichtbefolgen der polizeilichenwesiungen kann udn wird gegen sie unmittelarer Zewang angwendet. die Uhrzeit 16 Uhr 50.«

Kurze Einsatzbesprechung: Aufforderung an die Polizeibeamten "haltet uns vorne [Heinrichplatz] den Rücken frei, sonst kriegen wir bei unseren Maßnahmen wieder Besuch von hinten)

Ein Polizist/BGSler fragt, ob er die Sperre (unklar, welche gemeint ist, oranienstr vor heinrichplatz oder Adalbert richtung Naunynstr) abziehen kann. Das wird ihm verwehrt.

Die Durchsagen gehen weiter, Adalbertstr./orianienstr. sind fast nur noch Journalisten, teilweise werden Witze gemacht, wen denn die Polizei mit den Durchsagen meint, es sei ja kaum jemand vor Ort.

17:46: Die Polizei muß sich Höhe Naunynstr. südlich des Mariannenplatz zurückziehen, weil die dort hin gejagten zurückkommen

Die Durchsagen sind allerdings bis zum Heinrichplatz zu hören.

Zur Zeit vorliegende Durchsagen (es gibt mehr): 16:38, 16:44 (Polizist sagt 17:44), 16:50 (siehe oben), 17:04, 17:16

Der Berliner Einsatzleiter Klaus Karau, Leitender Polizeidirektor, Leiter der Direktion 5 ist anwesend, als die Durchsagen gemacht wurden. (Soviel zu den Mutmaßungen: die Durchsagen waren eine Panne des Beamten, der sie gemacht hat, und auch die Spekulationen, die "überforderten Nicht-Berliner Polizeikräfte hätten diese Panne begangen)

Die Oranienstr. ist frei, zwischen Heinrichplatz und Mariannenplatz sind sehr viele Leute (auch Anwohner etc), auf dem Mariannenplatz ist ein riesiges Volksfest im Gange, alles friedlich (auch von Seiten der Polizei)

In der Oranienstr. vor dem Heinrichplatz ist eine Polizeisperre, zu der die Leute geschickt aus Richtung Adalbertstr. geschickt werden

Gegen 17:35 wird am Kottbusser Tor die Polizeiabsperrung aufgehoben, noch mehr Leute strömen von Adalbert/Oranienstr Richtung Heinrich und Mariannenplatz

Bis gegen 17:40 (fast 1,5 Stunden später) war alles ruhig, zwischen Heinrich und Mariannenplatz standen und liefen sehr viele Leute hin und her, es war Volksfeststimmung.

Gegen 17:40: an der Kreuzung Adalbert/Oranienstr.: Einsatzleiter Karau fragt über Funk einen Lagebericht für Bereich Heinrichplatz/ Mariannenplatz ab, bekommt als Antwort: alles ruhig.

17:48: Die Polizei hat sich an der Naunynstr. südlich des Mariannenplatz in die Ecken zurückgezogen

Ganz kurz darauf setzen sich die Polizeikräfte (ca. 2 Hunderschaften) im Laufschritt Richtung Mariannenplatz in Bewegung und versuchen, ihn (und damit auch das Straßenfest) zu stürmen. Während ich mit meinem Presseausweis in der Hand mit einer Zeitungsredaktion telefoniere, werde ich rüde von mehreren Polizisten durch die gegen geschubst und soll mich "verpissen".

Die Beamten haben im Laufschritt aus der Oranienstr. kommend alle zwischen Heinrichplatz und Mariannenplatz befindlichen Personen auf den Mariannenplatz getrieben und dann im laufschritt versuchtet, den Mariannenplatz zu stürmen - auf dem immernoch völlig friedlich das Straßenfest ablief. Mittlerweile sind dort durch die Aufforderungen der Polizei und durch das Hintreiben der Leute, die am Heinrichplatz waren, sehr viele Menschen dichtgedrängt.

Dort (weder am Heinrichplatz, noch am Mariannenplatz) gab es auch nicht die "200 Autonomen", die die Polizei angeblich vergeblich eingekesselt hat und die dann geflüchtet seinen.

Es ist definitiv nicht so, daß das "Teilnehmer einer verbotenen Versammlung" waren (wie Polizei, SFB und Spiegel Online berichten), es war ganz normales Straßenfestpublikum.

Daraufhin, und erst daraufhin, kam es zu Steinwürfen, denen durch Einsatz von Wasserwerfern begegnet wurde, woraufhin die Situation eskalierte. (kurz vor 18.00).

am Mariannenplatz wird die Polizei daraufhin massiv mit Steinen und Flaschen beworfen, zieht sich zurück - und kommt mit 4-6 Wasserwerfern wieder - während das Straßenfest noch in vollem Gange ist

Daraufhin kommt es zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei:

17:50: Verstärkung für die Polizei kommt und jagt an der Naunynstr. südlich des Mariannenplatzes (Vergeblich) Richtung Platz

brennende Autos, cs-gas Einsatz, willkürliche festnahmen und Räumung des Mariannenplatzes (inclusive Volksfest), Einkesselung


Was danach u.a. noch so passierte:
Brennende Autos wurden 20 Minuten lang nicht gelöscht, obwohl Wasserwerfer genau davor stehen - Bilder, die die Stimmung anheizen.

Neben brennenden weißen Golf, der von der Polizei in Richtung Mariannenplatz geschoben worden ist mit einem Räumpanzer, standen teilweise 4 Wasserwerfer, die nicht gelöscht haben.
Im Gegenteil: Die Feuerwehr wurde von Demonstranten durchgelassen und von der Polizei am Einsatz gehindert und zurück geschickt - stattdessen kam dann der nächste Wasserwerfer.

18:39 eine Gruppe von Polizisten nimmt in einem Hinterhof Waldemarstr/Mariannenstr. Zwei Personen in Gewahrsam, läßt eine Person sofort wieder gehen. Als jemand (presseausweis deutlich sichtbar) fotografieren will, wird er aus dem Hof vertrieben. Die zweite Person wird von zwei Polizisten in die Mangel genommen, muß sich nach vorne beugen und die Polizisten stützen sich auf dem Festgenommen ab (mehrere Minuten). Als der Journalist Polizisten aus der Gruppe daraufhin anspricht, bekommt ervon einem die Antwort: »wenn dir das nicht paßt, bekommst du meine dienstnummer, dann kannst du dich beim polpräs beschweren.« Gibt die Dienstnummer und sagt: paß auf, was du schreibst, sonst zeige ich dich an: wegen widerstand gegen die staatsgewalt und behinderung eines Polizeieinsatzes.

17:52: Wasserwerfereinsatz an der Naunynstr. südlich des Mariannenplatzes

22:30 oberbaumbrücke: straßensperre, fußgänger aus kreuzberg werden nur rausgelassen, wenn sie in Friedrichshain wohnen und das mit Ausweis nachweisen können. fußgänger aus kreuzberg werden nur rausgelassen, wenn sie in Friedrichshain wohnen und das mit Ausweis nachweisen können.

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